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Hör mal wer da hämmert! Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urt. v. 30.07.2020, 4 U 11/14- Zur Beratungspflicht des Bauunternehmers bei Schallschutz

„Hör mal wer da hämmert“ – Zur Beratungspflicht des Bauunternehmers bei Schallschutz

Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urt. v. 30.07.2020, 4 U 11/14 (Sachverhalt vereinfacht)

Sachverhalt

Die Kläger beauftragten die Beklagte mit der Errichtung eines Fertighauses in Holz-Ständer- Fertigbauweise nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik.  Die Kläger behaupten, dass am Objekt mehrere Mängel im Bereich des Schallschutzes vorliegen, dies insbesondere deshalb, weil an der Rückseite des Grundstücks eine viel befahrene Landstraße verläuft.

Im Verkaufsprospekt war die Rede von einem Objekt mit „hohem Komfort, höchsten Fertigungsstandards und Hochwertigkeit“ und das Gütesiegel „THERMO-Außenwand“ war zu sehen.

Außenwände des Objekts weisen einen Schallschutzwert von mindestens 44 dB, die Fenster einen Wert von mindestens 32 dB auf.

Die Beklagte hat im Vorfeld die Auffassung vertreten, für ein Einfamilienhaus gebe es grundsätzlich keine Vorschriften hinsichtlich der Schallschutzmindestwerte. Trotz ausdrücklichen Hinweises, dass eine Schallschutzverglasung wünschenswert sei, hätten die Kläger bei der Bemusterung darauf verzichtet.

Die Kläger rügen nun klageweise die mangelhafte Schalldämmung und dass die Klägerin hierzu bei der Bemusterung nicht hinreichend beraten hat, insbesondere weil mehrfach auf die besondere Lage des Grundstücks hingewiesen haben und sich mehrfach um den Schallschutz erkundigt haben. Auf Nachfragen zum Schallschutz wurde jedoch seitens des Bauunternehmers nicht reagiert.

In erster Instanz hat das Landgericht (nach einem Sachverständigengutachten) die Klage abgewiesen unter Bezugnahme auf die DIN 4109 (1989) bzw. VDI 2719.

Wie wird das OLG nun entscheiden?

Zur Rechtslage

Die Klägerin verpflichtete sich, das streitgegenständliche Anwesen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu errichten. Eine ausdrückliche Vereinbarung zum Thema Schallschutz wurde nicht getroffen. Auch aus den Werbematerialien und der Internetseite ergab sich nichts anderes.

Anpreisung in den Werbeunterlagen, dass von einem hohen Komfort, höchsten Fertigungsstandards und Qualität bzw. Hochwertigkeit treffen keine Aussage im Bezug auf den Schallschutz. Gleiches gilt für das Gütesiegel „THERMO- Außenwand“, da dies nur die Wärmedämmung betrifft.

Der Schallschutz richtet sich daher ausschließlich nach den „allgemein anerkannten Regeln der Technik“. Darunter sind diejenigen technischen Regeln für den Entwurf und die Ausführung baulicher Anlagen zu verstehen, die in der technischen Wissenschaft als theoretisch richtig erkannt sind und feststehen sowie insbesondere in dem Kreis der für die Anwendung der betreffenden Regeln maßgeblichen, nach dem neuesten Erkenntnisstand vorgebildeten Techniker durchweg bekannt und auf Grund fortdauernder praktischer Erfahrung als technisch geeignet, angemessen und notwendig anerkannt sind.

Die anerkannten Regeln der Technik werden durch überbetriebliche Regelwerke wie DIN-Normen und VDI-Richtlinien konkretisiert. Es besteht eine Vermutung dafür, dass solche kodifizierten Regelwerke die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben. Die Vermutung ist jedoch widerlegbar (vgl. BGH, Urt. v. 24.05.2013 – V ZR 182/12; BGH, Urt. v. 14.06.2007 – VII ZR 45/06).

Bezüglich des Schallschutzes existiert keine verbindliche Regelung in einer DIN. Die DIN 4109 ist veraltet. Daher ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Einzelfall durch Auslegung des Vertrags zu ermitteln, welcher Luftschallschutz geschuldet ist (vgl. BGH, Urt. v. 14.06.2007 – VII ZR 45/06; BGH, Urt. v. 05.06.2009 – VII ZR 54/07). Dies richtet sich in diesem Fall nach den üblichen Qualitäts- und Komfortstandards.

Die Mindestwerte der DIN 4109 sind demnach nicht (allein) heranzuziehen, da diese lediglich Mindestanforderungen zur Vermeidung unzumutbarer Belästigungen aufstellen.

Darüber hinaus kommt hier erschwerend hinzu, dass der Bauunternehmer trotz Nachfragen keine Beratung der Bauherren zur Thematik des Schallschutzes vorgenommen hat, obwohl dies gerade bei Einfamilienhäusern unprobleamtisch möglich ist.

In dem der Bauunternehmer erklärt hat, dass den Mangel nicht anerkenne, weil kein Mangel gegeben sei, ist eine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung zu sehen. Das berechtigt die Bauherren zur Selbstvornahme.

Fazit:

Bei jedem Bauvorhaben sind, soweit es keine besondere anderweitige Vereinbarung gibt, die anerkannten Regeln der Technik geschuldet, was auch für den Schallschutz gilt.

Der Hersteller schuldet bei der Erstellung eines Fertighauses die üblichen Qualitäts- und Komfortstandards. Der Einwand der seitens Bauunternehmern häufig erhoben wird, dass die DIN 4109 erreicht ist und damit kein Mangel gegeben ist, ist überholt. Das OLG stellt unmissverständlich klar, dass die DIN 4109 veraltet ist und lediglich Mindeststandards festlegt. Welcher Schallschutz im konkreten Fall geschuldet ist, ist aber dann im Einzelfall zu ermitteln.

Prozesse zur Thematik Schallschutz beschäftigen die Gerichte immer wieder und sind mitunter sehr schwierig zu führen. Bauunternehmern kann daher nur dringend angeraten werden, die Bauherren bei sämtlichen Gewerken zur Thematik Schallschutz zu beraten. Umgekehrt sollten die Bauherren auf die Einhaltung des Schallschutzes bestehen und sich nicht abwimmeln lassen.