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Auch „Kleinigkeiten“ sind wichtig! OLG Koblenz, Urt. v. 08.10.2020, 6 U 1945/19

Auch „Kleinigkeiten“ sind wichtig – Bedenkenanmeldung und Haftung bauüberwachender Architekten

OLG Koblenz, Urt. v. 08.10.2020, Az.: 6 U 1945/19 (Sachverhalt vereinfacht)

Der Sachverhalt

Die Beklagte Firma wurde von der Klägerin im Zuge der Neuerrichtung eines Objektes betraut. Die Beklagte zu 2) war die planende und bauüberwachende Architektin für das Bauvorhaben.

Auf Basis der vertraglichen Unterlagen (VOB Vertrag) verpflichtete sich die Beklagte zu 1) u.a. zwölf Stieleichen zu pflanzen und für die Dauer von zwei Jahren zu pflegen. Die Beton-Pflanzquartiere, welche die Beklagte zu 1) nicht geschuldet, sondern ein Dritter der von der Klagepartei beauftragt wurde installiert hat, sollten die Maße 300 x 300 x 150 cm haben. 

Am Tag der Pflanzenanlieferung stellte die Beklagte zu 1) fest, dass die  gelieferten und eingebauten Beton-Pflanzquartiere an sechs Baumstandorten nur ein Maß von 200 x 200 x 100 cm aufwiesen. Die Beklagte zu 1) meldete daraufhin Bedenken an. Zugleich übersandte sie per E-Mail an die Beklagten zu 2) Fotos von den Bäumen mit der Frage: „Wie sollen diese Bäume in den kleinen Baumschutzquartieren wachsen?“ U.a. diese E-Mail wurde an die Klagepartei weitergeleitet. Auf Anweisung der Beklagten zu 2)  pflanzte die Beklagte zu 1) schließlich die Eichen ein.

Es kommt wie es kommen muss: Im Sommer rügte die Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1), dass die Stieleichen eine schüttere, chlorotische Belaubung, Blattverluste und Totholz aufwiesen und vom Eichensplintkäfer befallen seien.

Die Klagepartei verlangt nun von den beiden Beklagten als Gesamtschuldner Kostenvorschuss für den Austausch der Eichen und Schadensersatz wegen den zu kleinen Beton-Pflanzquartieren

Zu Recht? Und vor allem wer haftet?

Zur Rechtslage

Ausführender Unternehmer:

Der Klagepartei steht gegen die Beklagte zu 1) kein Anspruch auf Ersatz der Kosten für den Austausch der Bäume zu. Das Eingehen der zwölf Stieleichen ist nicht auf eine vertragswidrige Leistung der Beklagten zu 1) zurückzuführen. Vielmehr haftet die Beklagte zu 1) nicht, weil sie gegenüber der Klägerin in ausreichender Weise Bedenken angemeldet hat (§§ 4 Abs. 3, 13 Abs. 3 VOB/B).

Dabei ist es irrelevant, dass die Bedenken per Email angemeldet wurden. Für eine Bedenkenanmeldung nach § 4 Abs. 3 VOB/B genügt für die Schriftform gemäß § 127 Abs. 2 Satz 1 BGB auch die telekommunikative Übermittlung, weshalb eine Mitteilung per E-Mail im Falle einer rechtsgeschäftlich vereinbarten Schriftform ausreicht (vgl. BGH, Urteil v. 27.04.2016 – VIII ZR 46/15). Es ist auch anerkannt, dass selbst ein mündlicher Hinweis, wenn er eindeutig, inhaltlich klar und vollständig ist, den Auftragnehmer enthaften kann (vgl. OLG Schleswig, Urteil v. 18.07.2018 – 12 U 8/18 -).

Allerdings müssen die Bedenken auch gegenüber dem richtigen Adressaten ausgesprochen werden. Dies ist grundsätzlich immer der Auftraggeber selbst. Darüber hinaus ist auch die Mitteilung an den bauleitenden Architekten oder sonstigen Bauleiter ausreichend, denn er vertritt den Bauherrn in den die technischen Angelegenheiten betreffenden Fragen gegenüber dem Unternehmer. Dessen ungeachtet war der Zweck einer Information der Klägerin als Auftraggeberin auch deshalb erreicht, weil die E-Mail an die Klagepartei weitergeleitet wurde.

Die Beklagte zu 1) war auch nicht verpflichtet, (Al- ternativ-)Vorschläge zur Lösung des Problems zu unterbreiten, da er sich dem Risiko aussetzen würde, dass sein Vorschlag falsch seien könnte (vgl. OLG Celle, Urteil v. 23.12.1999 – 22 U 15/99 -).

bauplanender und überwachender Architekt:

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schuldet der Architekt dem Besteller gemäß §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB Schadensersatz wegen der von ihm zu vertretenden Planungs- oder Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben.

Bezüglich der Beton-Pflanzquartiere ist dem Architekten ein Bauüberwachungsfehler zur Last zu legen. Der Architekt hätte jedoch im Rahmen der gebotenen rechtzeitigen Stichproben- und Endkontrolle feststellen müssen, dass die Beton-Pflanzquartiere zu klein dimensioniert sind und  unverzüglich für Abhilfe sorgen müssen.

Der Umfang und die Intensität der Überwachungstätigkeit hängen von den konkreten Anforderungen der Baumaßnahme und den jeweiligen Umständen ab. Bei einfachen, gängigen Arbeiten muss der Architekt nicht ständig auf der Baustelle anwesend sein, um die Arbeiten zu kontrollieren. Notwendig bleibt aber die Einweisung bei Beginn der Arbeiten, die Durchführung von stichprobenhaften Überprüfungen an Ort und Stelle und die Endkontrolle der Arbeiten. Solche Stichproben sind nicht durchgeführt worden, da letztlich der Beklagten zu 1) aufgefallen ist, dass die Pflanzquartiere zu klein dimensioniert sind.

Fazit:

Bei Bedenkensanzeigen ist besondere Vorsicht geboten. Der Bauunternehmer kann sich durch eine Bedenkensanzeige freizeichnen. Umgekehrt haben auch die bauüberwachenden Architekten unverzüglich zu überprüfen, ob die Bedenkensmeldung inhaltlich zutrifft und rechtzeitig entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.