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Grundsatzurteil des BGH! Gesamtschuldnerausgleich – bauüberwachender Architekt und ausführende Firma

BGH, Urteil vom 01.12.2022 – VII ZR 90/22

Leitsatz:

Ein Gesamtschuldnerausgleichsanspruch des Architekten gegen den bauausführenden Unternehmer besteht mangels Gesamtschuldverhältnisses nicht, wenn dem Besteller einerseits ein Schadensersatzanspruch nach § 634 Nr. 4 BGB gegen den Architekten wegen Verletzung der vertraglich vereinbarten Objektbegehungspflicht zusteht und ihm andererseits Mängelansprüche gegen den bauausführenden Unternehmer wegen diesem zuzurechnender Mängel des Bauwerks zustehen.

Sachverhalt kurz skizziert:

Die Klägerin, eine Versicherungsgesellschaft, hat als Haftpflichtversicherer des Architekten aus übergegangenem Recht Gesamtschuldnerausgleichsansprüche geltend gemacht.

Der Architekt war beauftragt ein Einfamilienhaus zu planen und zu überwachen (Leistungsphasen 1 bis 9 nach § 15 HOAl).

Daraufhin beauftragte der Bauherr mehrere Firmen in Form von Einzelgewerken.

Irgendwann stellte der Bauherr Feuchtigkeit in den Räumen des Obergeschosses, im Bereich des Treppenhauses, des Glasdaches und an der Fassade zur Straße hin fest.

Bauherr und Architekt schlossen irgendwann einen Vergleich, welchen die Haftpflicht des Architekten übernahm.

Nun will Versicherung von den bauausführenden Firmen Regress im Wege des Gesamtschuldnerausgleiches haben.

BGH sagt: Nein

Voraussetzung einer gesamtschuldnerischen Haftung ist, dass zwischen den Haftenden aufgrund der Gleichstufigkeit der Verpflichtungen eine Tilgungsgemeinschaft besteht. Sie fehlt, wenn der Leistungszweck der einen gegenüber der anderen Verpflichtung nachrangig ist (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 – XI ZR 429/19 Rn. 18, NJW 2021, 550; BAG, Urteil vom 13. Juli 2021 – 3 AZR 298/20, NZA 2022, 193, Rn. 22; jeweils m.w.N.). 

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Soweit dem Bauherren einerseits gegen den Architekten ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der vertraglichen Objektbegehungspflicht zusteht und ihr andererseits Mängelansprüche gegen den ausführenden Bauunternehmer wegen diesem zuzurechnender Mängel des Bauwerks zustehen, fehlt es mangels Gleichstufigkeit der Verpflichtungen an einer Tilgungsgemeinschaft.